Ein altes chinesisches Märchen erzählt von einer Geschichte zweier benachbarter Völker. Sie liegen im Streit und nachdem jegliche Friedensbemühungen scheiterten, war der Krieg unvermeidlich. Die Kaiser beauftragten ihre Feldherren die strategische Planung auszuarbeiten. So schickten beide Feldherren ihre Kundschafter auf den Weg, heimlich die Schwachstelle zu finden, an der die Armee durchbrechen könnte. Die Späher gingen also los und beide fanden nur eine Stelle an der man am einfachsten in das Nachbarland einfallen konnte. Ihrem Feldherr berichteten sie von diesem Ort. Dort wohnt ein braver, kleiner Bauer in einem kleinen Haus mit einer sehr anmutigen Frau. Sie haben einander lieb und es heißt, sie sind die glücklichsten Menschen auf der Welt. Wenn wir nun über das Grundstück marschieren würden, zerstören wir auch das Glück dieser unschuldigen Menschen. Beide Feldherren waren sich einig, nachdem sie die Botschaft ihrer Kundschafter hörten: “Es kann also kein Krieg geben.”
Dieses chinesische Märchen hinterlässt bei mit irgendwie einen bleibenden Eindruck. Es stellt mich vor die Aufgabe, das Glück friedliebender Menschen nicht zu stören, sondern zu ehren und zu achten. Mich erinnert diese bildhafte Geschichte an die Worte Jesu, wenn er immer wieder betont voranstellt: “Ihr sollt eure Nächsten lieben, wie euch selbst.”
Ich überlege mir an dieser Stelle immer, was das wohl heißen mag, den Nächsten so zu lieben, wie mich selbst. Vielleicht hast du selbst einen anderen Blick auf diesen Kernsatz der Tora-Gebote als ich. Aber für mich bedeutet dieser Vers immer ein wechselseitiges Verhältnis.
Indem ich den Nächsten liebe und mich selbst zurückstelle, um meinem Gegenüber etwas gutes zu tun, indem Maße liebe, ehre und wertschätze ich auch mich selbst. Denn ich sorge für eine gute Beziehung, ich diszipliniere mich in meiner Integrität als Nachfolger der Liebe Gottes, ich erlebe selbst große Freude, wenn ich anderen etwas gutes tun kann.
Gleichsam gilt das aber auch andersherum. In dem Maße, wie ich auf mich selbst achte, wie ich mit mir selbst umgehe, indem Maße werde ich auch den Nächsten lieben können. Wer sich selbst nicht liebt und auf sich acht gibt, der kann auch keine Liebe weitergeben ohne dabei auszubrennen. Die selbst-fürsorgliche Perspektive des Verses meint aber nicht Egoismus. In einem Gebetsbuch las ich vor kurzem: Christen suchen das Glück nie an einer Stelle, an der sie das Glück eines anderen zertreten müssen. Und da ist sicherlich etwas wahres dran. Nicht immer ist es gut, wenn ich meine eigenen Interessen egoistisch durchsetze. Vor allem dann nicht, wenn ich dabei meine Mitmenschen übergehe. Ich bin froh darum, dass ich nicht immer meinen Willen bekomme – Manchmal ist das wirklich ganz gut so.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, heißt also auch, sich in Selbstfürsorge zu üben. Selbstfürsorge kann viele Facetten des Lebens beinhalten. Selbstfürsorge bedeutet:
- einen fürsorglichen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu gestalten
- die Grenzen der eigenen Belastbarkeit wahrzunehmen
- lernen mit Stress gut umzugehen
- zu wissen, wo man auftanken kann und neue Kraft gewinnt
- ein gute Work-Life Balance gestalten
- Freundschaften zu pflegen, die einen gut tun
- Hilfe und Unterstützung anzunehmen oder aktiv Beratung oder Coaching suchen.
Wenn du möchtest, kannst du dir doch heute einmal einen Zettel und einen Stift schnappen und dir überlegen, wo du Selbstfürsorge im Alltag einübst. Schreib alles auf, was dir in den Sinn kommt. Es kann verrückt klingen, oder so stink normal, dass du denkst, man müsste es gar nicht erst aufschreiben. Schau dir deine Liste an und tu die Dinge, die du festgehalten hast. Aber tu sie mit dem Bewusstsein, dass sie dir gut tun und dich befähigen Jesus Nachzufolgen.
Ich wünsch dir Gottes Segen,
dein Christian